Hauptquelle: BM.I – Flugrettung, 19. März 2010

GESCHICHTE

HISTORIE DER FLUGRETTUNG

Die schweren Lawinenkatastrophen in den Jahren 1953 und 1954 im Gasteiner Tal und im Großen Walsertal sowie die großflächigen Überschwemmungen im Donautal im Sommer 1954 stellten die Einsatzkräfte der Exekutive, der Feuerwehren und der Rettungsorganisationen vor immense Koordinierungs- und Leistungsprobleme. Dabei wurde deutlich, wie notwendig der Einsatz von Luftfahrzeugen zur Unterstützung und die effektive Koordinierung der Einsatzkräfte war.

Aus der Notlage und der Erkenntnis heraus, dass Hilfe aus der Luft auch bei blockierten oder verschütteten Verkehrswegen, in überfluteten Gebieten, in unzugänglichen Schluchten und Felswänden sowie in Gletscherregionen möglich ist, begann man, eine Organisation zu schaffen, die schnelle Hilfe gewährleistet.

Ein bekanntes Sprichwort lautet: „Wer rasch hilft, hilft doppelt.“ Wenn es jedoch darum geht, einem Menschen in Lebensgefahr schnell zu helfen, ist die Wirkung weit größer – man rettet ein Leben. Mit dieser Erkenntnis wurde am 15. Dezember 1954 die Abteilung „Flugpolizei“ im Bundesministerium für Inneres gegründet. Es gab jedoch noch erhebliche Herausforderungen zu bewältigen. Zu jener Zeit war das Fliegen ausschließlich den Besatzungsmächten vorbehalten, und in Österreich herrschte ein Flugverbot. Doch in der Not zeigte sich Erfindungsreichtum. Der erste Innenminister der Zweiten Republik, Oskar Helmer, sicherte den Wiedereinstieg in die Luftfahrt. Drei Polizisten und drei Gendarmen wurden in die Schweiz geschickt, um eine Flugausbildung zu absolvieren. Dort wurden die österreichischen Beamten von dem legendären Rettungsflieger Hermann Geiger in die Kunst der Außenlandungen auf Schnee und Eis eingewiesen.

Schließlich sicherte der Alliierten Rat im April 1955 zu, dass keine Einwände gegen den Einsatz von Luftfahrzeugen zur Hilfeleistung durch die österreichische Exekutive bestünden. Diese Zustimmung umfasste die Nutzung von fünf Hubschraubern und fünf Leichtflugzeugen, wodurch der Gründung einer Einrichtung für „Flugpolizei und Flugrettung“ nichts mehr im Wege stand.

Am 14. März 1956 erreichte die Gendarmerie ein Hilferuf aus dem von Schneemassen eingeschlossenen Tiroler Kühtai, das auf Straßenwegen nicht mehr erreichbar war. Eine deutsche Skifahrerin hatte sich dort so schwer verletzt, dass eine schnelle Überstellung ins Krankenhaus notwendig war. In dieser kritischen Situation zeigte sich die Notwendigkeit einer gut organisierten Luftrettung. Das bodengebundene Rettungssystem der Nachkriegsjahre wies bereits erhebliche Mängel auf, und eine koordinierte Hilfeleistung aus der Luft war weder planmäßig organisiert noch standen geeignete Fluggeräte zur Verfügung. Der verletzten Skifahrerin kam jedoch der Zufall zu Hilfe, dass Maschinen des Innenministeriums gerade in Innsbruck stationiert waren.

Gendarmerieinspektor Erhard Landl entschloss sich kurzerhand, mit einer einmotorigen Maschine des Typs „Piper“, die mit Schneekufen ausgestattet war, zu starten. Es gelang ihm, im 2000 Meter hoch gelegenen Kühtai zu landen und die Verletzte nach Innsbruck auszufliegen. Dieser Einsatz kann als die Geburtsstunde der Flugrettung in Österreich bezeichnet werden.

Eine neue Ära im Kampf um das Leben und die Gesundheit Verunglückter hatte begonnen.

Dank des rasanten Fortschritts in der Luftrettung konnten Jahr für Jahr mehr Verunglückte geborgen werden. Allein von 1958 bis 1960 verdreifachten sich die Einsatzzahlen. Im Jahr 1978 wurde erstmals die Marke von über 1.000 geborgenen Personen erreicht. Neben Flächenflugzeugen kamen zunehmend auch die ersten Hubschrauber zum Einsatz, die primär zur Rettung von Personen genutzt wurden. Wieder war es die Flugeinsatzstelle Innsbruck, die in Zusammenarbeit mit der Bergrettung die sogenannte Bergeseiltechnik für Hubschrauber entwickelte. Am 13. Juli 1974 gelang es, mit dieser Methode eine schwer verletzte Bergsteigerin zu retten.

Aufgrund der gewonnenen Erfahrungen wurde von medizinischer Seite zunehmend gefordert, dass nicht der Patient zum Arzt, sondern der Arzt zum Patienten gebracht werden sollte. Dies führte zu einer engen Kooperation zwischen Medizinern, Hilfsorganisationen und dem Flugdienst. Ein weiteres Problem in Bezug auf die österreichische Rechtsordnung musste gelöst werden: Die Kompetenz zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit liegt beim Bund, während das Hilfs- und Rettungswesen in die Zuständigkeit der Länder fällt.

Dieses Problem wurde schließlich durch den Abschluss sogenannter Gliedstaatsverträge gelöst. Die Regelung des Art. 15a B-VG ist ein Ausdruck des sogenannten kooperativen Bundesstaates und soll ein Zusammenwirken von Bund und Ländern sowie der Länder untereinander über die verfassungsrechtlichen Kompetenznormen hinweg ermöglichen. Nachdem der Nationalrat im Jahr 1981 eine Entschließung zur Prüfung eines Luftrettungsdienstes verabschiedet hatte, wurde 1983 ein Modellversuch eines Hubschrauber-Rettungsdienstes in Salzburg gestartet. Die Finanzierung dieses Modells wurde von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) übernommen. Der Standort Salzburg hatte sich für einen Modellversuch als besonders zweckmäßig erwiesen, da das Einsatzgebiet einen repräsentativen Querschnitt durch Österreichs Landschaftsformationen und das mögliche Notfallgeschehen bot. Am 1. Juli 1983 stellte der private Autofahrerclub ÖAMTC in Innsbruck und am 1. September 1983 in Krems die ersten beiden Notarzthubschrauber Österreichs in den Dienst.

Die Einführung dieser Notarzthubschrauber markierte einen bedeutenden Fortschritt im Bereich der medizinischen Notfallversorgung und trug maßgeblich zur Verbesserung der Rettungsmöglichkeiten bei. Diese Entwicklung setzte den Grundstein für ein flächendeckendes Luftrettungssystem, das heute ein unverzichtbarer Bestandteil der Notfallversorgung in Österreich ist.

Der ÖAMTC war der Ansicht, dass sich die vielfältigen Hindernisse leichter überwinden ließen, wenn der Nutzen eines planmäßigen Notarzthubschrauberdienstes erst einmal in der Praxis bewiesen werden könnte. Diese Einschätzung erwies sich als richtig, und die Initiativen beschleunigten tatsächlich den weiteren raschen Ausbau des Hubschrauber-Rettungsdienstes in Österreich. Nach der Auswertung der beim Salzburger Modellversuch gewonnenen Erfahrungen wurde 1984 ein Staatsvertrag nach Art. 15a B-VG mit dem Bundesland Kärnten und in der Folge mit anderen Bundesländern geschlossen. Innerhalb weniger Jahre, von 1983 bis 1987, konnte somit in Österreich ein flächendeckendes Hubschrauber-Rettungssystem aufgebaut werden. Die Bundesländer Niederösterreich und Burgenland sorgten für eigene Lösungen und schlossen keine 15a B-VG-Verträge mit dem Bund.

Am 1. Januar 2001 kam es zu einer grundlegenden Änderung in der Organisation der österreichischen Flugrettung. Das Innenministerium entschied sich aus budgetären Gründen, sich aus der Flugrettung zurückzuziehen. Infolgedessen übernahm der ÖAMTC Schritt für Schritt die Flugrettungsstandorte des Innenministeriums auf Grundlage einer privatrechtlichen Vereinbarung. Diese Übertragung führte zu erheblichen Umwälzungen im österreichischen Flugrettungswesen. Neben dem ÖAMTC haben zahlreiche andere Betreiber Flugrettungsstützpunkte errichtet. Dies ist insbesondere in den westlichen Bundesländern der Fall, wo aufgrund des starken Tourismus in den alpinen Regionen zahlreiche Rettungsflüge benötigt werden, was einen beträchtlichen Markt für Rettungsflüge geschaffen hat. Mittlerweile haben sich zahlreiche Flugunternehmen, zumindest saisonal, auf das Rettungsflugwesen spezialisiert. Durch die innerhalb der EU normierte Dienstleistungsfreiheit ist es auch ausländischen Betreibern grundsätzlich möglich, diese Aufgaben zu übernehmen.

Durch die Privatisierung der Flugrettung wurde ein neuer Maßstab in der luftgebundenen notärztlichen Versorgung gesetzt. Der Einstieg zahlreicher Hubschrauberunternehmen aus dem In- und Ausland führte außerdem zu einem intensiven Wettbewerb, der oft auf politischer Ebene entschieden wurde.

Im Jahr 2010 kam es zu einer bedeutenden Änderung für einige Flugrettungsunternehmen. Aufgrund neuer gesetzlicher Regelungen für den gewerblichen Transport von Personen mussten einige Hubschrauber am Boden bleiben. Während der ÖAMTC bereits 2001 auf die Eurocopter EC135 umgestellt hatte und somit von den neuen Regelungen nicht betroffen war, mussten Heli-Austria ihre AS355 und FlyMed ihre BO105 außer Betrieb nehmen. Diese Unternehmen überbrückten die Zeit mit geleasten oder gecharterten Maschinen.

Im selben Jahr liefen auch die Betriebsvereinbarungen mit den Bundesländern aus, was neue Verhandlungen erforderlich machte. Diese Vertragsverhandlungen gestalteten sich oft schwierig, da Themen wie die Anpassung der Kassenbeiträge geklärt werden mussten.

Im Jahr 2016 kam es zu einem bedeutenden Wandel bei den Hubschraubertypen. Die ARA Flugrettung setzte als erster österreichischer Betreiber auf die H145 und verabschiedete die 30 Jahre alte BK117. Gleichzeitig begann beim Christophorus Flugrettungsverein eine weitere Flottenerneuerung. Die bisherigen Eurocopter EC135 wurden teilweise durch die neueste Ausbaustufe H135 (EC135 T3) ersetzt oder umgebaut. Auch Heli-Austria begann, die MD902 Explorer schrittweise durch H135 und H145 zu ersetzen. Trotz der Insolvenz von MD Helicopters und der Einstellung der MD902 Explorer als Produkt entschied sich Heli-Austria jedoch zwei Jahre später, weiterhin gebrauchte Maschinen dieses Typs anzuschaffen und den Flugrettungsbetrieb rein auf der MD902 Explorer zu führen. Die Firma Schider Helicopter Service führte ebenfalls ein neues Modell ein und stellte die Bell429 in Betrieb.

Dieser kontinuierliche Fortschritt in der Hubschrauberausrüstung und die Erneuerung der Flotten stellen sicher, dass die Flugrettung in Österreich auch in Zukunft auf einem hohen Niveau bleibt und den neuesten Standards entspricht.